Predigt vom 15. März 2020

Und als sie auf dem Wege waren, sprach einer zu ihm: Ich will dir folgen, wohin du gehst. Und Jesus sprach zu ihm: Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.

Und er sprach zu einem andern: Folge mir nach! Der sprach aber: Herr, erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe.

Er aber sprach zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes!

Und ein andrer sprach: Herr, ich will dir nachfolgen; aber erlaube mir zuvor, dass ich Abschied nehme von denen, die in meinem Hause sind.

Jesus aber sprach zu ihm: Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes. (Lukas 9, 58-62)

Liebe Gemeinde,

es ist eine eigentümliche Zeit, in der wir leben.

Es ist wohl der letzte Gottesdienst. Heute gibt es kein Kirchenkaffee – und ab sofort keine Gemeindeveranstaltungen, keine Wochenpredigten, wohl keine weiteren Gottesdienste mehr. Bis auf Weiteres.

Und im Bibelwort ist ja davon die Rede, dass das Reich Gottes kein Festhalten und kein Zurückschauen verträgt. Ja, vom Loslassen ist die Rede.

Und sowas haben wir jetzt ja auch vor uns.

Loslassen – jedenfalls für eine gewisse Zeit –, was uns lieb und wichtig war.

Begegnungen, Umarmungen, Händeschütteln, persönliche Gespräche.

Jugend- und Konfirmandenstunden, Glaubensgesprächskreise, der Chor, der Bastelkreis.

Nicht nur hier, sondern das ist Richtlinie für die ganze Kirche.

Morgen geht’s auch nicht, wie sonst, in den Kindergarten, die Schule, die Universität.

All das verstehen wir entweder – oder nicht. Aber wir können nicht leugnen, dass das jetzt keine normalen Zeiten sind.

Was gibt’s heute zu sagen?

Irgendwie konnte bisher ja jede Predigt für sich Stückwerk bleiben, denn am Donnerstag oder spätestens am Sonntag konnten wir ja fortsetzen, manches wieder gemeinsam aufgreifen.

Aber jetzt?

Na, schauen wir mal in den Predigttext.

Da geht es immerhin um die Nachfolge Christi. Also, etwas, was wir ja eigentlich auch machen wollen.

Der erste sagt: Ich komme mit.

Und Jesus sagt – sinngemäß: Du, es wird ungemütlich! Stell dir das nicht so bequem vor.

Nachfolge – das ist nicht immer leicht.

Nachfolge – das kann Beschränkungen bedeuten, in äußerlichen Dingen: "Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege."

Also, es kann an äußeren Dingen fehlen.

Liebe Gemeinde,

uns fehlt es auch an äußeren Dingen – wenn wir nur aufs Gemeindliche blicken, dann eben etliche Gottesdienste und Gemeindeveranstaltungen in nächster Zeit.

Das ist ein großer Einschnitt, denn das ist ja immer mehr, als „nur“ einander zu sehen! Das sind ja immer auch Momente für die Seele. Das sind Momente des Glaubens und des Kraftschöpfens. Es ist also gar nicht egal, ob das jetzt stattfindet oder nicht.

Aber: Wir haben ja so viele Gottesdienste, Wochenpredigten, Gruppen und Kreise erlebt, so viel Miteinander erlebt, dass wir – so wünsche ich es uns – die bevorstehende Zeit ohne Schaden an der Seele überstehen.

Gott schenke uns eine heitere Gelassenheit!

Wir nehmen die äußeren Dinge halt so an, wie sie sind. Das ist jedenfalls gesünder, als sich über das Unveränderliche aufzuregen.

Gott schenke uns die Gewissheit, dass wir doch in seiner Hand sind!

Egal, was passiert, egal, was die Nachrichten bringen, egal, was für Einschnitte wir erleben – wir sind und bleiben in Gottes Hand. Davon können wir ganz fest ausgehen. Das ist keine Frage. Das ist Gottes sichere Zusage an uns.

Gott schenke uns, dass wir auch jetzt im Glauben wachsen.

Wir erleben in der nächsten Zeit noch mehr als sonst, dass es überhaupt nicht selbstverständlich ist, dass wir jeden Sonntag und jeden Donnerstag an Gottesdiensten und Wochenpredigten teilnehmen können, dass es über die Woche allerlei Gemeindegruppen gibt.

Wir haben es vielleicht manchmal auch ganz arglos als selbstverständlich genommen.

Nun ist der Moment da, an dem einfach keine bevorstehende Gemeindeveranstaltung, kein bevorstehender Gottesdienst abzukündigen ist. Also, auch das Normale, das Übliche, das selbstverständlich Scheinende, ist nicht selbstverständlich. Wie anders wird es sein, wenn diese Krise überstanden ist und wir uns wieder regelmäßig sehen. Wie viel dankbarer werden wir dann noch für alles sein. Halten wir das in unserem Herzen!

Gott schenke uns, dass wir ihn in nächster Zeit immer wieder entdecken.

Wenn Jesus sagt „Folge mir!“, dann will er natürlich, dass die Männer, die er in der Bibelgeschichte anspricht, mitkommen.

Aber der zweite und der dritte Mann sagen – frei übertragen: Ach, ich schließe mich schon bald mal an. Aber lass mich erst noch einige Zeit traurig sein.

Nur: Wenn man zurückschaut und sich Wehmut breit macht und das Herz schwer wird, dann merkt man nicht, dass Jesus ja gerade jetzt da ist. Dann spürt man nicht: Gerade dies, gerade jetzt ist ein heiliger Moment, weil Gott ja mit uns ist.

Es ist also nicht verboten, wehmütig zurückzuschauen, doch es kann sein, dass wir die Chance des Moments dann nicht sehen.

Was können wir tun? Wir können in der Bibel lesen! Wir können Psalmen lesen! Wir können über Radio, Fernsehen oder Internet Gottesdienste verfolgen! Und vor allem: Wir können beten! Für andere, für uns selbst!

Für andere ganz besonders, denen diese Zeit jetzt besonders zu schaffen macht!

Und wenn wir merken, dass wir selbst leiden, dann wissen wir im selben Moment schon, dass es hier Menschen gibt, die auch für uns beten.

Für uns selbst, dass uns äußerliche Beschränkungen in der Seele nichts anhaben mögen.

Wir haben vielleicht nicht die äußere Freiheit, zur Wochenpredigt oder zum Gottesdienst zusammenzukommen, aber wir haben die innere Freiheit, nicht in Panik zu geraten, sondern die Dinge schon ganz beruhigt Gott anheimzustellen. Unsere innere Freiheit, zu glauben, mit Gott ins Gespräch zu kommen, sein Wort in unser Leben aufzunehmen, die wird uns doch nie genommen.

Und alles hat ja so seine besonderen Chancen! Wer weiß, wie viele heilige Momente gerade in der nächsten Zeit vor uns sind!

„Folge mir!“, sagt Jesus Christus zu den Männern aus unserem Predigttext.

„Folge mir!“, das sagt er uns auch heute.

Wenn wir heute aus der Kirche hinausgehen und auf unbekannte Zeit nicht wieder zusammenkommen, dann lassen wir dieses Haus und diese Gemeinschaft für einige Zeit hinter uns – äußerlich natürlich nur, im Gebet bleiben wir verbunden – vielleicht tiefer noch als sonst.

Aber vor uns ist Jesus. Er wird uns den Weg weisen, er wird uns seine Nähe erweisen und er wird vorangehen!

Doch bevor es so weit ist.

Das Abendmahl dürfen wir heute nicht mehr feiern.

Aber der Beichtteil, der soll auch ohne Abendmahl Teil dieses Gottesdienstes sein.

Denn es mag sein, dass es manche gibt, die sagen:

Ich möchte in die unbekannte und unberechenbare Zeit, die da vor uns liegt, nicht aufbrechen, ohne nicht doch noch die eine oder andere Last vor Gott legen zu können, ohne noch etwas mit Gott zu klären.

Ich möchte in diese Zeit nicht aufbrechen, ohne die Gnadenzusage Gottes zu hören.

Deshalb werden wir nachher im Beichtgebet und in den Beichtfragen vor Gott bringen, was uns das Herz und die Seele schwer macht und dort – vor Gott – lassen.

Und dann mit dem Wissen, dass Gott mit uns und für uns ist aufbrechen können.

„Folge mir!“, sagt Jesus.

Es wird nicht unbedingt immer nur leicht, ihm zu folgen.

Das ist, liebe Gemeinde, nur die eine Seite.

Die andere Seite ist: Er ist immer da! Darauf können wir uns ohne jede Einschränkung verlassen. In guten Zeiten sowieso und in schweren Zeiten nur noch mehr.

Dass er da ist, dass er uns trägt, tröstet, hilft und segnet.

Das mögen wir an jedem Tag spüren!

An jedem Tag – bis wir uns wiedersehen!

Vertrauen wir auf Gott, er wird’s wohl machen.

Auf ein hoffentlich baldiges, frohes und gesundes Wiedersehen!

Amen.

Lasset uns beten!

Guter Gott,

halte uns alle in deiner segnenden und schützenden Hand

und bewahre uns im hoffnungsvollen, fröhlichen Glauben. Amen.